Nymphomanie

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Nymphomanie Definition

Der Nymphomanie werden im Alltag oft Frauen bezichtigt, die ihre Sexualität sehr intensiv ausleben. Der Begriff wird häufig als Vorwurf verwendet, bleibt aber unklar definiert. Deshalb ist es wichtig, genauer zu bestimmen, wo die Grenze zwischen einem intensiven Sexleben und einem Suchtverhalten im Rahmen von  Nymphomanie verläuft.

Definition Nymphomanie

Unter Nymphomanie  wird gemeinhin das krankhafte Ausleben exzessiven sexuellen Begehrens verstanden. Der Begriff wird auf Frauen angewendet, so genannte Nymphomaninnen. Selten gebräuchlich sind die Bezeichnungen Don-Juan-Komplex oder Satyriasis für das männliche Pendant. Das mag daran liegen, dass die Satyriasis weit schwieriger von einem ausgeprägten männlichen Sexualtrieb im Normalbereich abgrenzbar ist, zumal solche Männer auch reale sexuelle Befriedigung erlangen, Nymphomaninnen hingegen oft nicht. Zudem wird eine exzessive sexuelle Betätigung durch Männer gesellschaftlich eher als im Normbereich liegend verstanden. Der Psychologe Christian Schulte-Cloos äußerte hierzu: „Männer neigen allgemein mehr zu Promiskuität. Dies macht sie möglicherweise auch für sexuell süchtig abgleitendes Verhalten anfälliger als Frauen. Für sie scheint Sexualität wichtiger zu sein als für Frauen.“¹

Frauen, die wirklich in die Kategorie der Nymphomanie fallen, sind durch permanenten Hunger nach sexueller Befriedigung getrieben. Dabei ist es ihnen aber oft nicht möglich, einen realen, befreienden Orgasmus zu erfahren.

Begriffsproblem – Nymphomanie

Das Wortteil „Manie“ im Begriff Nymphomanie ist ein Hinweis, dass von einer inneren Besessenheit ausgegangen wird.

Allerdings ist die genaue Abgrenzung schwer, weil der Begriff Nymphomanie auch oft pauschal auf angeblich „liebestolle“ Frauen angewendet wird, die offen, aktiv und nicht nur im Rahmen einer festen Beziehung ihre Sexualität ausleben möchten. Im 19. Jahrhundert fand der Begriff bereits Anwendung bei Frauen, die onanierten oder nicht kommerzielle sexuelle Kontakte außerhalb des Eherahmens unterhielten. Nymphomanie wird also auch heute noch bisweilen, ohne eindeutig manisches Krankheitsbild, als moralisch abwertende Begrifflichkeit verwendet.

Psychologische Ebene von  Nymphomanie

Sexsucht steigert sich schrittweise, so wie andere Süchte auch. Immer stärker entzieht sich die Sucht der persönlichen Kontrolle des Süchtigen. Das manische Element der Nymphomanie beinhaltet, dass es Phasen der Euphorie und des Kontrollverlusts geben kann, auf die dann wieder Momente des Bedauerns und des kritischen Blicks auf den angerichteten Schaden folgen. Der Schaden kann andere zum Beispiel betreffen, indem sie sich womöglich Hoffnungen auf eine längere Partnerschaft gemacht haben, dann aber feststellen müssen, nur für das Ausleben des Nymphomanen Triebs benutzt worden zu sein. Eventuell hat die Nymphomanin sich durch ihr rücksichtsloses Tun auch in negativer Weise in bestehende Partnerschaften und Familien gedrängt. Sogar berufliche Abhängigkeitsverhältnisse können von Frauen mit Nymphomanie ausgenutzt werden.²

Nymphomaninnen selbst haben wiederum häufig Probleme damit, eine dauerhafte Bindung an einen Partner einzugehen und zu erhalten. Der innere Zwang nach stets neuen Sexualpartnern treibt sie in der Regel rasch aus einer bestehenden Beziehung. Es entsteht ein Gefühl der Isolierung, woraus Leidensdruck resultiert. Zudem besteht bei häufig wechselnden Sexualkontakten ein erhöhtes Risiko für Geschlechtskrankheiten. Auch leben die unter Bindungsproblemen leidenden Nymphomaninnen mit dem Risiko, schwanger zu werden, um dann entweder den Embryo abzutreiben oder eine alleinerziehende Mutter zu werden. Viele dieser Probleme betreffen natürlich nicht nur Frauen mit  Nymphomanie, sondern auch Männer, die unter Sexsucht leiden.

Die Auslöser von Nymphomanie sind nicht eindeutig lokalisierbar. In früheren Zeiten bewerteten Ärzte die Nymphomanie als organisches Leiden. Behandlungsmethoden waren Therapien mit Blutegeln oder die Kühlung der Genitalien mittels Eis.³

Modernere Erklärungsversuche haben sich auf die psychologische Ebene verlagert. Sie gehen teils von Missbrauchserfahrungen in der Jugend aus. Auch Stress, Frust und traumatische Erlebnisse werden als Auslöser für Sexsucht genannt.

Andere sehen die Ursache in als unbefriedigend erfahrenen sexuellen Begegnungen und Partnerschaften. Wird dann die Schuld der mangelnden Befriedigung ausschließlich im Partner gesucht, ist es möglich, dass die Nymphomanie das Resultat einer ins Endlose verlängerten Suche nach dem richtigen Partner bei gleichzeitiger Bindungsangst ist.

Auf jeden Fall wird Nymphomanie durch verschiedene Ursachen ausgelöst, seelisch-emotionaler, gesellschaftlicher und familiärer Natur.

Lässt sich Nymphomanie heilen?

Da Nymphomanie ein seelisches Problem ist, bedarf es häufig der Behandlung durch erfahrene Psychotherapeuten, oft über mehrere Jahre. Dabei muss zuerst festgestellt werden, ob eine krankhafte Sexsucht überhaupt vorliegt, also zum Beispiel eine zwanghafte Nymphomanie bei gleichzeitiger Unfähigkeit, sich tiefgehender emotional auf einen Partner einzulassen.

Eine Therapie erfolgt in der Regel über Problembewusstsein. Patienten führen dann ein Tagebuch, um Situationen mit Suchtdruck und Versuchung zu erkennen. Dann werden alternative Reaktionsmöglichkeiten erprobt. Zudem wird ein ausgeglichenes Alltagsleben, unter anderem mit gesunder Ernährung, Freizeit und Sport, angestrebt. Die Therapien können in Einzelstunden mit einem Therapeut oder in Selbsthilfegruppen stattfinden. Außerdem gibt es medikamentöse Behandlungen mit Antidepressiva.

Kommerzialisierung von Nymphomanie

Nymphomanie wird von einigen Prostituierten bisweilen als Werbemittel genutzt. Prostituierte werden in Werbeanzeigen dann als Nymphomaninnen angepriesen. Damit soll der Kunde durch das Empfinden gelockt werden, dass die Hure nicht allein des Geldes wegen mit ihm verkehrt, sondern weil sie auch eine gewisse Form echten Lustempfindens dabei hat. Auch im Bereich der Pornographie taucht der Begriff Nymphomanie bisweilen auf.

Zudem wird das Thema Nymphomanie von Zeit zu Zeit in Literatur und Film behandelt. Leila Slimani wurde 2019 bekannt mit ihrem Roman „All das zu verlieren“. Die Geschichte handelt von einer Pariser Nymphomanin, die aus ihrer als unbefriedigend empfundenen Ehe ausbricht. Im selben Jahr veröffentlichte Johanna Söllner den erotischen Roman „Sex Süchtig: Bekenntnisse einer Nymphomanin“.
Eine frühe Verfilmung der Thematik war der schwedische Erotikfilm „Jeg – en kvinde“ („Ich, eine Frau“) von Mac Ahlberg aus dem Jahr 1965. In ihm wird das wechselhafte Sexualleben einer Krankenschwester dargestellt. 1999 erschien Catherine Breillats Film „Romance XXX“, in dem eine Frau, deren Mann ihr den Beischlaf verweigert, in zahlreiche sexuelle Affären flüchtet. In dem Film hatte auch der bekannte Pornodarsteller Rocco Siffredi einen Nebenrollenauftritt. 2000 drehte Virginie Despentes „Baise-moi (Fick mich!)“. Darin ziehen zwei Freundinnen nach diversen Vergewaltigungs- und Gewalterfahrungen durch das Land, verführen Männer zum Sex, um sie anschließend zu ermorden. 2006 erschien Craig Brewers „Black Snake Moan“, in dem ein strenggläubiger Landwirt und Bluesmusiker aus den amerikanischen Südstaaten auf eine junge Nymphomanin trifft. 2008 drehte Christian Molina „Tagebuch einer Nymphomanin“. In dem Independent-Streifen „Red, White & Blue“ von Simon Rumley aus dem Jahr 2010 freundet sich eine junge Nymphomanin zaghaft mit ihrem neuen Nachbarn an. Als ein ehemaliger Sexualpartner von ihr herausfindet, dass sie ihn mit HIV infiziert hat, entführt er mit Freunden das Mädchen, um sie zur Rechenschaft zu ziehen. Die Lage eskaliert, das Mädchen kommt zu Tode, und ihr Nachbar nimmt nun die Rolle eines brutalen Racheengels an. In Steve McQueens „Shame“ von 2011 dreht sich die Geschichte um einen männlichen Sexsüchtigen in New York. Stuart Blumbergs Melodram „Thanks for Sharing – Süchtig nach Sex“ von 2012 spielt in einer Gruppentherapie für Sexsüchtige. 2013 erschien Lars von Triers bekannte zweiteilige Verfilmung „Nymphomaniac“, die das fiktive Leben einer Nymphomanin Revue passieren lässt. 2013 folgte François Ozons Streifen „Jung & Schön“ über eine minderjährige Nymphomanin, die sich zur Prostitution entschließt.

Quellennachweise:

¹Christian Schulte-Cloos (2012): Sexualität und Sucht, Fulda 2012, S. 83. Online verfügbar unter: https://web.archive.org/web/20121109164236/http://www2.hs-fulda.de/~schulte-cloos/Skripte/SexualitaetundSucht.doc, zuletzt geprüft am 20.05.2022

²Vergl. den Fall einer Taxiunternehmerin in: Frank Schmeichel: „Wie die Luft zum Leben“. Wenn Sex zur Sucht wird, Frankfurt-Berlin 1990, S. 104, zuletzt geprüft am 20.05.2022

³Bürger, Dr. med. Britta (2015): Nymphomanie – die Sexsucht. Online verfügbar: https://www.netdoktor.de/sex-partnerschaft/nymphomanie-die-sexsucht-3567.html,  zuletzt geprüft am 20.05.2022

⁴Kornelius Roth (2004): Wenn Sex süchtig macht, Berlin 2004, S. 46, zuletzt geprüft am 20.05.2022

⁵Christian Schulte-Cloos (2012): Sexualität und Sucht, Fulda 2012, S. 88ff. Online verfügbar unter: https://web.archive.org/web/20121109164236/http://www2.hs-fulda.de/~schulte-cloos/Skripte/SexualitaetundSucht.doc, zuletzt geprüft am 20.05.2022