Inhaltsverzeichnis

Während die meisten sexuellen Praktiken auf den Orgasmus ausgelegt sind und diesen als Ziel definieren, existieren auch Praktiken, die andere Bereiche der Zweisamkeit in den Vordergrund stellen. Karezza bezeichnet eine sexuelle Praktik, die die emotionale und körperliche Nähe fokussiert und den Leistungsfokus eines Orgasmus in den Hintergrund stellt oder sogar vernachlässigt.
Definition: Karezza
Karezza beschreibt eine liebevolle und verlangsamte Form der Sexualität, bei der der Orgasmus nicht fokussiert wird, sondern die emotionale und körperliche Nähe der Geschlechtspartner. Es handelt sich um eine sexuelle Praktik, wobei der Orgasmus bewusst unterbunden wird. Der Begriff stammt vom italienischen „carezza“ ab, was übersetzt „zärtliche Berührung“ bedeutet.
Während der Geschlechtsverkehr in den meisten Fällen auf den Höhepunkt ausgerichtet ist, wird auf diesen bei Karezza verzichtet. Es geht vielmehr darum eine tiefere Bindung durch die Intimität, körperliche Nähe und sexuelle Energie zu erzeugen. Geschlechtspartner verbleiben dabei für längere Zeit in innigem Körperkontakt ohne den Geschlechtsakt „zum Abschluss zu bringen“.
Karezza stellt eine alternative sexuelle Praktik dar, die eine völlig andere Sichtweise vermittelt, wobei der Orgasmus keine zentrale Rolle einnimmt und der Fokus auf Intimität, Emotionalität und der Beziehung der Geschlechtspartner liegt. Die Praktik kann das Vertrauen stärken, eine engere Bindung herstellen, Stress reduzieren und zu einem bewussten und sensiblen Umgang mit Sexualität führen.
Hintergründe & Reiz
Der Reiz von Karezza liegt in der bewussten Abkehr von leistungsorientierter, auf den Orgasmus fokussierter Sexualität. Statt sich auf den Höhepunkt zu konzentrieren, steht bei dieser Praxis die Verbindung zwischen den Partnern, das gemeinsame Spüren und die emotionale Nähe im Mittelpunkt. Karezza ermöglicht einen Raum, in dem Druck, Erwartungen und Rollenbilder ausgeblendet werden – was besonders in langjährigen Beziehungen oder in stressreichen Lebensphasen als befreiend erlebt wird.
Die Methode basiert auf der Idee, dass die sexuelle Energie nicht entladen, sondern bewusst gehalten und geteilt wird. Dadurch entsteht eine besondere Form der Intimität, die nicht nur körperlich, sondern auch seelisch nährt. Der Austausch von Nähe, sanfter Berührung, ruhigem Atem und Augenkontakt führt zu einem Zustand tiefer Entspannung, Harmonie und oft auch spiritueller Verbundenheit.
Karezza geht auf Gedanken aus der Lebensreformbewegung und frühen sexualphilosophischen Strömungen zurück, in denen sexuelle Mäßigung als Weg zu innerem Gleichgewicht und Beziehungsstärke verstanden wurde. Heute erlebt die Praxis vor allem in achtsamkeitsorientierten, ganzheitlich denkenden Kreisen eine neue Aufmerksamkeit – als Möglichkeit, Sexualität neu zu entdecken: achtsam, entschleunigt und verbunden.
Vorgehen
Beim Karezza geht es nicht um Technik im klassischen Sinn, sondern um eine bewusste, entschleunigte Art, Nähe zu erleben. Dennoch gibt es einige typische Elemente, die den Ablauf dieser Praxis prägen. Der Fokus liegt dabei auf gegenseitiger Achtsamkeit, tiefer Verbindung und dem bewussten Verzicht auf den Orgasmus als Ziel.
-
Ankommen und Verbindung aufbauen
Beide Partner nehmen sich Zeit, innerlich zur Ruhe zu kommen. Das kann durch gemeinsames Atmen, Augenkontakt oder eine stille Umarmung geschehen. Ziel ist es, eine entspannte, vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen. -
Langsamer, bewusster Körperkontakt
Es folgen sanfte Berührungen, Streicheln oder Kuscheln – ohne Ziel, sondern rein aus dem Moment heraus. Es geht nicht darum, Erregung zu steigern, sondern um achtsames Spüren. -
Intime, aber sanfte Vereinigung (optional)
Karezza kann Geschlechtsverkehr beinhalten, muss aber nicht. Falls es zur Penetration kommt, geschieht sie ohne rhythmische Bewegung oder Leistungsdruck. Die Partner bleiben einfach eng verbunden – oft über längere Zeit hinweg – und lassen Nähe und Energie wirken. -
Atmung, Blickkontakt und emotionale Präsenz
Der Atem wird ruhig gehalten, der Fokus liegt auf synchronem Spüren. Viele Paare halten dabei Blickkontakt oder legen ihre Stirn aneinander – um die emotionale Verbindung zu vertiefen. -
Kein Orgasmus – kein Ziel
Der Verzicht auf den Orgasmus steht im Zentrum der Praxis. Die sexuelle Energie wird nicht entladen, sondern gehalten und geteilt – was oft als tief entspannend oder sogar spirituell empfunden wird. -
Gemeinsames Nachspüren
Nach der Begegnung ist Raum für Nähe, Austausch oder einfaches Dasein. Es geht darum, die Verbindung nicht sofort zu beenden, sondern nachwirken zu lassen.
Karezza ist keine Technik mit festen Regeln, sondern eher eine Haltung – geprägt von Geduld, Sanftheit und bewusster Präsenz. Jeder Ablauf kann individuell angepasst werden, solange die Grundidee erhalten bleibt: Sexualität als Verbindung statt als Zielerreichung.