
Der Begriff „Stricher“ ist umgangssprachlich und wird vor allem im deutschsprachigen Raum verwendet, um männliche oder männlich gelesene Personen zu bezeichnen, die gegen Bezahlung sexuelle Dienstleistungen anbieten – in vielen Fällen an andere Männer. Obwohl das Thema gesellschaftlich oft ausgeklammert wird, ist es fester Bestandteil der Realität von Sexarbeit – mit vielfältigen Hintergründen, individuellen Lebenslagen und auch rechtlichen sowie sozialen Herausforderungen.
In diesem Beitrag beleuchten wir, was genau mit „Stricher“ gemeint ist, wie sich das Phänomen entwickelt hat, welche Motive dahinterstehen können – und warum eine differenzierte Auseinandersetzung wichtig ist.
Definition: Stricher
Der Begriff „Stricher“ bezeichnet eine männliche Person, die sexuelle Handlungen gegen Geld oder andere Gegenleistungen anbietet. Meist wird der Begriff mit Straßenprostitution oder Gelegenheitssexarbeit in Verbindung gebracht. Stricher sind in der Regel nicht fest in ein Bordell eingebunden, sondern arbeiten selbstständig – oft im öffentlichen Raum, in Parks, an Bahnhöfen, auf Strichplätzen oder über Online-Plattformen.
Der Begriff ist nicht neutral – er kann abwertend oder stigmatisierend wirken. Fachlich spricht man heute häufiger von männlicher Sexarbeit oder männlichen Sexarbeitern, um eine wertfreie Sprache zu fördern.
Wer wird Stricher – und warum?
Die Gründe, warum Menschen in die männliche Sexarbeit einsteigen, sind sehr unterschiedlich. Es gibt keine „typische“ Biografie. Häufige Motive und Hintergründe sind:
- Finanzielle Not oder Perspektivlosigkeit
- Wohnungslosigkeit oder prekäre Lebenssituationen
- Flucht, Migration oder Aufenthalt ohne gesicherten Status
- Fehlender Zugang zum Arbeitsmarkt
- Drogenabhängigkeit
- Suche nach Anerkennung, Aufmerksamkeit oder Nähe
In manchen Fällen ist männliche Sexarbeit eine bewusste Entscheidung, in anderen ein Überlebensmechanismus. Gerade jüngere Stricher oder sogenannte „Strichjungen“ (meist zwischen 16 und 25 Jahren) bewegen sich häufig im Grenzbereich zwischen Selbstbestimmung und Zwang – was die Problematik besonders sensibel macht.
Wo findet männliche Sexarbeit statt?
Stricher arbeiten in verschiedenen Settings – je nach Stadt, Szene, Zugang und technischer Infrastruktur:
- Straßenstrich: klassisch an bekannten Treffpunkten in Großstädten (Bahnhöfe, Parks, bestimmte Straßen)
- Internet: über Escort-Webseiten, Online-Communities oder soziale Netzwerke
- Clubs, Saunen oder Sex-Kinos, insbesondere in queeren Milieus
- Private Kontakte durch persönliche Netzwerke oder Stammkunden
Mit dem Internet hat sich das Bild verändert: Die klassische Straßenszene schrumpft, digitale Angebote nehmen zu – was für mehr Anonymität, aber auch für neue Formen der Unsicherheit sorgt.
Rechtlicher Rahmen
In Deutschland ist Sexarbeit legal, solange sie freiwillig erfolgt und bestimmte Rahmenbedingungen eingehalten werden. Seit dem Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) von 2017 gilt:
- Sexarbeiter*innen müssen sich behördlich anmelden
- Es besteht Beratungspflicht durch Gesundheitsämter
- Kunden können unter bestimmten Umständen bestraft werden, z. B. bei Ausnutzung von Zwangslagen
Allerdings leben viele Stricher ohne festen Wohnsitz, ohne Krankenversicherung oder ohne Aufenthaltstitel – was eine Anmeldung oft unmöglich macht. Dadurch bewegen sie sich in der rechtlichen Grauzone und sind besonders schutzbedürftig.
Risiken & Herausforderungen
Männliche Sexarbeit bringt – wie jede Form von Prostitution – bestimmte Risiken mit sich:
- Gewalt und Übergriffe durch Freier oder Dritte
- Erhöhtes HIV/STI-Risiko, vor allem bei ungeschütztem Sex
- Psychische Belastung durch Doppelleben, Einsamkeit oder Grenzüberschreitungen
- Suchtproblematiken – nicht wenige Stricher konsumieren Drogen zur Bewältigung
- Stigmatisierung und soziale Ausgrenzung
Viele Stricher nehmen keine medizinische Versorgung in Anspruch oder trauen sich nicht, Hilfe zu suchen – aus Angst vor Diskriminierung oder Behördenkontakt.
Unterstützung & Beratungsangebote
In vielen Städten gibt es Hilfsorganisationen, die speziell mit männlichen Sexarbeitern arbeiten. Diese bieten:
- Gesundheitsberatung und kostenlose STI-Tests
- Sozialpädagogische Betreuung
- Begleitung bei Behördengängen
- Notunterkünfte oder Übergangswohnheime
- Anonyme Gespräche und Vertrauensaufbau
Stricher in der Gesellschaft
Männliche Sexarbeit ist in der öffentlichen Wahrnehmung nach wie vor stark tabuisiert. Während weibliche Prostitution zumindest gesellschaftlich diskutiert wird, bleibt die männliche oft unsichtbar. Das führt zu einem Mangel an Aufklärung, Forschung und politischer Unterstützung.
Zudem wird männliche Sexarbeit häufig mit Homosexualität gleichgesetzt, obwohl viele Stricher heterosexuell sind oder sich selbst nicht über sexuelle Identität definieren – sie handeln oft aus ökonomischen oder sozialen Gründen, nicht aus sexueller Orientierung heraus.
Fazit
Der Begriff „Stricher“ beschreibt weit mehr als nur eine Tätigkeit. Er steht für komplexe Lebensrealitäten, soziale Ungleichheit, Körperökonomie und – nicht zuletzt – für das Spannungsfeld zwischen Sichtbarkeit und Scham.
Wichtig ist, das Thema vorurteilsfrei und differenziert zu betrachten – nicht romantisierend, aber auch nicht abwertend. Wer hinschaut, erkennt hinter dem Begriff Menschen mit Geschichten, Hoffnungen, Ängsten und einem starken Überlebenswillen.