
Sexuelle Vorlieben und Präferenzen sind ein vielschichtiger Bestandteil menschlicher Identität. Während einige Ausrichtungen gesellschaftlich weitgehend akzeptiert sind, lösen andere Irritation, Ablehnung oder moralische Diskussionen aus. In diesem Zusammenhang wird auch das Thema Gerontophilie betrachtet, das in wissenschaftlichen, psychologischen und soziokulturellen Kontexten unterschiedlich bewertet wird.
Definition: Gerontophilie
Gerontophilie bezeichnet eine sexuelle Vorliebe, die auf deutlich ältere Menschen, meist im Seniorenalter, ausgerichtet ist. Die sexuelle Vorliebe kann sich durch körperliche Anziehungskraft, emotionale Bindungen oder reine sexuelle Fantasien ausdrücken.
Die Gerontophilie gehört zu den Chronophilien (altersbezogene sexuelle Vorlieben), ist in Deutschland jedoch im Gegensatz zu anderen Chronophilien, wie Pädophilie, nicht strafbar, sofern alle sexuellen Handlungen einvernehmlich erfolgen.
Denn Treue ist individuell: Während für manche bereits ein Kuss ein Bruch des Vertrauens ist, beginnt es für andere erst bei körperlichem Kontakt. Entscheidend ist, was man gemeinsam als Grenze festgelegt hat.
Merkmale
Die Merkmale der Gerontophilie sind vielseitig, lassen sich jedoch auf einige allgemeingültige Aspekte begrenzen:
- Zielgruppe der sexuellen Anziehung: Personen im höheren Erwachsenenalter oder Seniorenalter, unabhängig vom eigenen Alter.
- Fokus auf körperliche und/oder emotionale Merkmale: Falten, graue Haare, altersbedingte Körperveränderungen oder Lebenserfahrung können als besonders attraktiv empfunden werden.
- Stabilität der Präferenz: Die Anziehung zu älteren Personen ist meist dauerhaft und nicht situativ oder vorübergehend.
- Ausprägung der Orientierung: Sie kann rein sexuell motiviert sein oder sich auch auf romantisch-partnerschaftliche Beziehungen erstrecken.
- Unabhängigkeit vom Altersunterschied: Entscheidend ist nicht nur ein Altersgefälle, sondern das gezielte Begehren eines höheren Lebensalters.
Arten
Gerontophilie kann unterschiedliche Ausprägungen aufweisen, die sowohl aus sexuelle als auch emotionale Beziehungen abzielen. Bei manchen Menschen steht ein sexuelles Erlebnis oder eine sexuelle Beziehung im Vordergrund. Hierbei steht besonders die körperliche Anziehung im Vordergrund, die sich besonders auf typische Altersmerkmale wie graue Haare, Falten oder eine altersbedingte Körperhaltung bezieht.
Andere Ausprägungen von Gerontophilie beziehen sich primär auf sexuelle und Fantasien. Hierbei wird keine körperliche Anziehung zu älteren Menschen verspürt, sondern die sexuelle Erregung entsteht rein durch sexuelle Fantasien.
Zudem existiert eine emotionale Ausprägung der Gerontophilie, wobei die sexuelle Erregung durch eine Fokussierung auf Charaktereigenschaften wie Reife, Gelassenheit, Lebenserfahrung und Fürsorglichkeit. Hierbei wird eine Beziehung mit älteren Menschen angestrebt, um diese Charakteristiken zu erleben.
Die einzelnen Ausprägungen können gesondert auftreten oder in Kombination. Gegebenenfalls kann eine emotionale Anziehung bestehen, aber kein Interesse an einer körperlichen Nähe bestehen. Ebenso kann es Personen auch reichen, sich anhand von sexuellen Fantasien oder medialen Inhalten zu befriedigen ohne Kontakt zu älteren Menschen zu suchen.
Begriffsbedeutung
Der Begriff Gerontophilie wird in der wissenschaftlichen Literatur zur Beschreibung einer sexuellen Präferenz verwendet, bei der sich das Interesse gezielt auf ältere Menschen richtet. In der sexualwissenschaftlichen und psychologischen Fachsprache ist er als neutraler Begriff für eine bestimmte Ausrichtung gedacht, vergleichbar mit anderen altersbezogenen Präferenzen.
Allerdings wird Gerontophilie in der medialen Berichterstattung und in strafrechtlichen Kontexten häufig in Zusammenhang mit Fällen sexuellen Missbrauchs älterer Menschen gebraucht. In diesen Fällen dient der Begriff weniger der Beschreibung einer einvernehmlichen sexuellen Neigung, sondern vielmehr der Einordnung kriminellen Verhaltens. Diese Vermischung führt in der öffentlichen Wahrnehmung häufig zu einer pauschalen, negativ konnotierten Verwendung, die nicht zwischen einvernehmlichen Beziehungen und sexueller Gewalt unterscheidet. Aus wissenschaftlicher Sicht ist daher eine klare Abgrenzung zwischen Gerontophilie als neutraler Präferenz und strafrechtlich relevanten Übergriffen notwendig.
Rechtliche Sichtweise
Gerontophilie ist grundsätzlich nicht strafbar in Deutschland und auch das Ausüben der sexuellen Präferenz ist strafrechtlich grundsätzlich nicht relevant, sofern die Beteiligten einvernehmlich agieren. Das Strafrecht greift nur dann, wenn neben dem Ausüben der Gerontophilie ein weiterer Tatbestand vorliegt:
Sofern die Beteiligten volljährig sind und an den Handlungen einvernehmlich teilnehmen, ist das Ausüben der Gerontophilie nicht strafbar. Erfolgen die Handlungen ohne die Zustimmung, sind die Handlungen wiederum strafbar.
Auch wenn eine der Personen einer besonderen Schutzbedürftigkeit unterliegt, sind alle sexuellen Handlungen strafbar, da somit keine Einverständniserklärung gegeben werden kann. Dies umfasst auch pflegebedürftige Personen, Personen mit kognitiven Einschränkungen oder Abhängigkeitsverhältnissen. In diesen Fällen handelt sich um strafrechtliche Tatbestände wie sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen (§ 179 StGB) oder sexueller Nötigung (§ 177 StGB.
Die sexuelle Präferenz an sich und das Ausleben der Präferenz sind jedoch grundsätzlich nicht strafbar.
Gesellschaftliche Akzeptanz
Der gesellschaftliche Umgang mit altersdifferenzierten sexuellen Beziehungen, wie sie im Rahmen von Gerontophilie vorkommen, ist stark kultur- und zeitabhängig. In der westlichen Geschichte gab es immer wieder Phasen, in denen Beziehungen zwischen jungen und deutlich älteren Partnern – insbesondere mit älteren Männern – akzeptiert oder sogar gesellschaftlich legitimiert waren.
Die heutige gesellschaftliche Akzeptanz von Gerontophilie ist insgesamt gering ausgeprägt. Obwohl sexuelle Präferenzen grundsätzlich als Teil individueller Selbstbestimmung betrachtet werden, stößt das gezielte Begehren nach deutlich älteren Menschen – insbesondere im Seniorenalter – häufig auf Irritation, Unverständnis oder Ablehnung. Gründe dafür liegen unter anderem in gesellschaftlichen Altersbildern, in denen Alter häufig mit Asexualität, Abhängigkeit oder Schwäche assoziiert wird.
Zudem wird Gerontophilie teilweise mit Machtgefälle, ökonomischem Interesse oder Abweichung vom „Normbereich“ der Sexualität in Verbindung gebracht. In der öffentlichen Wahrnehmung dominiert häufig eine problematisierende oder pathologisierende Sichtweise, vor allem dann, wenn große Altersunterschiede in Beziehungen thematisiert werden. Eine offene, differenzierte Auseinandersetzung mit dem Thema findet bislang nur in begrenztem Umfang statt – sowohl in den Medien als auch im gesellschaftlichen Diskurs.
Abgrenzung zu verwandten sexuellen Präferenzen
Gerontophilie ist von anderen altersbezogenen sexuellen Präferenzen abzugrenzen, auch wenn es Überschneidungen im Altersbezug geben kann:
- Chronophilie (Oberbegriff): Bezeichnet allgemein die sexuelle Präferenz für bestimmte Altersgruppen. Gerontophilie ist eine Unterform davon, die sich auf ältere Erwachsene bezieht.
- Ephebophilie: Die sexuelle Anziehung zu Jugendlichen im späten Teenageralter (ca. 15–19 Jahre). Im Gegensatz zur Gerontophilie richtet sich das Interesse hier auf junge, pubertierende Personen.
- Teleiophilie: Bezieht sich auf die Präferenz für sexuell ausgereifte Erwachsene im jungen bis mittleren Erwachsenenalter – in der Regel das gesellschaftlich akzeptierte „Normalalter“ für sexuelle Beziehungen.
- Mesophilie: Eine selten verwendete Bezeichnung für die Anziehung zu Personen mittleren Alters (etwa 35–60 Jahre), also zwischen Teleiophilie und Gerontophilie.
- Parthenophilie / Hebephilie / Pädophilie: Beziehen sich auf sexuelle Interessen gegenüber Kindern oder sehr jungen Jugendlichen und sind – im Gegensatz zur Gerontophilie – mit rechtlich und ethisch gravierenden Problematiken verbunden.